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26.08.2025 – Bundesverband

Interview mit Georg Supp zur Berufung ins Programmkomitee des Weltkongresses 2027

Physio Deutschland gratuliert Georg Supp herzlich zur erneuten Berufung in das Programmkomitee des World Physiotherapy Congress 2027, der vom 14. bis 16. Mai in Guadalajara, Mexiko, stattfinden wird. Im Kurzinterview gibt Georg Supp Einblicke in seine Motivation, seine Erfahrungen aus der letzten Amtszeit und die Bedeutung deutscher Perspektiven für die internationale Physiotherapie-Community.

Was bewegt Georg Supp, erneut Teil des Komitees zu sein? Welche Impulse möchte er setzen? – Antworten darauf gibt es im folgenden Gespräch.

   

Georg, was hat Dich motiviert, erneut Teil des Programmkomitees des Weltkongresses zu werden?

„World Physiotherapy legt Wert auf Kontinuität im Programmkomitee. Üblicherweise werden zwei Mitglieder aus dem vorherigen Komitee übernommen, um ihre Erfahrungen einzubringen. Dafür muss man sich erneut bewerben. Ich rechnete nicht mit einer erneuten Auswahl – meine Kolleg*innen waren einfach großartig. Ich habe mich aus Respekt beworben – auch um zu zeigen, wie sehr ich das Miteinander geschätzt habe. Chancen habe ich mir keine ausgerechnet.“

   

Was bedeutet Dir persönlich diese internationale Rolle?

„Ich bin seit Jahren international als Dozent unterwegs – unter anderem im Iran, Malawi und China, Länder, die man als Tourist eher selten bereist. Durch das Unterrichten bin ich den Menschen und Kulturen nahegekommen und habe viel gelernt. Das hatte ich jetzt im Programmkomitee für Tokyo geballt und in besonderer Weise. Mit klugen, bescheidenen Menschen gemeinsam etwas zu bewegen – das ist ein Geschenk. Die Tätigkeit im Komitee für Tokyo 2025 war die größte Erfahrung meines beruflichen Lebens. Der Stellenwert der deutschen Physiotherapie ist international überschaubar. Vielleicht konnte ich zeigen, dass wir besser sind als unser Ruf.“

   

Wie empfindest Du die Anerkennung, die mit der erneuten Berufung verbunden ist?

„Das kann ich kaum in Worte fassen. Schon einmal Teil dieses Komitees zu sein, ist eine große Ehre. Ein zweites Mal berufen zu werden, ist die größte Anerkennung, die ich je in meinem beruflichen Leben erfahren habe. Es war nicht Glück, eine spannende Vita oder ein gutes Bewerbungsschreiben – sondern mein Einsatz über 18 Monate im Komitee und dann in Tokyo. Ich bin dankbar und glücklich.“

   

Welche Erfahrungen aus Deiner letzten Tätigkeit im Programmkomitee möchtest Du diesmal besonders einbringen?

„Der Weltkongress bewegt sich in allen Bereichen auf einem unglaublich hohen Niveau. Trotzdem sind die Verantwortlichen offen für Anregungen. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen im Komitee motivieren, diese Offenheit zu nutzen. Da wir beim Kongress in Mexiko in vielen Funktionen tätig sein werden, werde ich meine Erfahrungen zur intensiven Vorbereitung auf einzelne Sessions weitergeben. Besonders bei den Discussion Sessions hat man gemerkt, welche Panels gut vorbereitet waren – und welche weniger.“

   

Gab es besondere Herausforderungen oder Highlights beim letzten Kongress, die Dir in Erinnerung geblieben sind?

„Highlight? Ganz klar das herzliche Miteinander unseres Komitees – vor und besonders während des Kongresses. Zehn Menschen, die sich mit allem, was sie haben, für eine Sache einsetzen, ohne persönliche oder finanzielle Eigeninteressen – wo findet man das im Berufsleben? Sich zu hundert Prozent auf andere verlassen können – das war einzigartig. Herausfordernd war, dass beim Kongress selbst kaum Freiraum bleibt, das Programm zu erkunden. Das hole ich dann 2029 nach.“

   

Was hast Du aus der Zusammenarbeit mit internationalen Kolleg*innen gelernt?

„Mir wurde noch klarer, dass ich mich vorwiegend in meiner „industrie-nation-geprägten muskuloskelettalen Blase“ bewege. Physiotherapie ist so viel mehr als Schmerz, Orthopädie und Sporttherapie. Der internationale Austausch ist bunt und bereichernd. Außerdem habe ich erneut erfahren, wie gut es tut, mit klugen Menschen ohne Ego an einer gemeinsamen Sache zu arbeiten. Ich war der Älteste im Komitee und der einzige ohne akademischen Titel – das hat nie eine Rolle gespielt.“

   

Wie siehst Du die Rolle der deutschen Physiotherapie im internationalen Kontext?

„Deutsche Physios machen oft einen guten Job. Wir müssen uns nicht verstecken. Im Bereich Forschung und Ausbildung hinken wir jedoch deutlich hinterher. Viele internationale Kolleginnen und Kollegen gehen davon aus, dass Deutschland auch in der Physiotherapie weit entwickelt ist – aufgrund unseres allgemeinen Ansehens als Wirtschaftsmacht und Demokratie. Sie sind dann überrascht, wenn sie merken, dass dem nicht so ist. Trotzdem können wir Akzente setzen, da wir ernst genommen werden – das hat meines Erachtens aber eher kulturelle als fachliche Gründe.“ 

   

Inwiefern können deutsche Perspektiven die Programmgestaltung des Weltkongresses bereichern?

„Überhaupt dabei zu sein – wäre schon mal ein guter Anfang. Von 3.355 Abstract-Einreichungen für Tokyo 2025 kamen etwa ein Prozent aus Deutschland. Auch bei den Focused Symposia und Discussion Sessions sah es nicht besser aus. Wir müssen uns auf das internationale Parkett wagen und Beiträge einreichen. Ich glaube, nach den USA und Brasilien hat Deutschland weltweit die meisten Physios. Wenn möglichst viele Mitglied im Berufsverband sind, hilft das der Physiotherapie weltweit – denn World Physiotherapy finanziert sich primär über die Beiträge der Mitgliedsinstitutionen.“

   

Welche Impulse möchtest Du aus Deutschland in die globale Diskussion einbringen?

„Ich sehe mich nicht primär als Vertreter eines Landes. Die zentrale Frage ist: Wie kann Physiotherapie helfen, Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen? Was „besser“ bedeutet, hängt stark vom Kontext ab. Der Soldat mit Amputationsschmerzen in der Ukraine sieht vieles anders als der Hobbyjogger mit Läuferknie in Schweden.

   

Ausblick auf den Kongress 2027: Worauf freust Du Dich beim kommenden Kongress in Guadalajara besonders?

„Auf das bunte Miteinander und die Lebensfreude der Mexikaner. Alte Freunde aus der ganzen Welt treffen und neue Freundschaften schließen.“

   

Gibt es Themenschwerpunkte, die Dir für das Programm 2027 besonders wichtig sind?

„Wie bekomme ich die bestmögliche Evidenz ganz praktisch in den therapeutischen Alltag? Das ist ein ewiges Thema mit dem sich die Physios weltweit beschäftigen. Die Diskrepanz zwischen Forschung und Praxis ist immens.“

  

Wie kann der Kongress zur Weiterentwicklung der Physiotherapie weltweit beitragen?

„Kongresse entwickeln unsere Profession weiter. Sie schärfen das Profil der Physiotherapie. Der Weltkongress spielt dabei die wichtigste Rolle. Kennenlernen, Austauschen, Netzwerken, miteinander lachen – das formt unseren Beruf effektiver als jeder wissenschaftliche Artikel oder noch so viele Weiterbildungen. Ich glaube, das ist so ein deutsches Ding: möglichst viele Fortbildungen und die ewige Suche nach der einen Lösung.“

   

Zum Schluss noch eine persönliche Frage:

Gibt es eine Übung oder Bewegung, die Du selbst besonders gerne machst – sei es im Alltag, beim Sport oder in der Therapie? Oder anders gefragt, was ist Deine Geheimwaffe unter den Übungen – die eine Bewegung, die Du fast immer empfiehlst und selbst gerne machst?

„George Sheehan – ein US-amerikanischer Laufphilosoph – hat mal gesagt:

„Traue keinem Gedanken, der Dir im Sitzen kommt!“

Daran halte ich mich. Wenn ich mir was überlege, laufe ich erst mal drüber.“

   

Danke für das Interview, lieber Georg!

„Vielen Dank! Ich hoffe, wir sehen uns in Guadalajara.“