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16.11.2021

3. TherapieGipfel mit klaren Botschaften an die neue Bundesregierung

Am 12. November 2021 fand der 3. TherapieGipfel des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) statt. Knapp 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten online die zweistündige Podiumsdiskussion, zu der der SHV-Vorstand mit seinen Gästen in Berlin zusammengekommen war. Dabei ergaben sich klare Forderungen und Erwartungen in Richtung der neuen Koalition.

Bundesminister grüßt per Videobotschaft und zieht Bilanz

Der Moderator Martin von Berswordt-Wallrabe begrüßte die Podiumsgäste vor Ort und alle berufspolitischen Interessierten aus ganz Deutschland an ihren Bildschirmen. Er führte professionell durch die zweistündige Podiumsdiskussion und setzte mit seinen gezielten Fragen Akzente zu den Schwerpunktthemen des diesjährigen TherapieGipfels. Doch zunächst hatte der geschäftsführende Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn das Wort. In einer Videobotschaft sprach er über die Auswirkungen der Pandemie und den daraus resultierenden Schub für die Digitalisierung sowie über das in der letzten Legislaturperiode Erreichte. Hier nannte er zum Beispiel die inhaltliche Arbeit an der Modernisierung der Gesundheitsfachberufe. Jens Spahn betonte die sehr konstruktive Zusammenarbeit mit den Mitgliedsverbänden des SHV. Besonders verwies der Minister auf die Verbesserungen und die neuen Möglichkeiten zur bundeseinheitlichen Vertragsgestaltung sowie den Vergütungen in den einzelnen Heilmittelbereichen. „Die Gesundheitsfachberufe sind unverzichtbar für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten“, betonte Jens Spahn. Doch es gäbe noch viel zu tun, um die Berufe weiter attraktiver zu machen und damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Fakten und konkrete Fragen aus den Berufsgruppen

"Therapeutinnen und Therapeuten lindern Schmerzen, erhalten Arbeitsfähigkeit, vermeiden Pflegebedürftigkeit und verbessern Lebensqualität. Ohne diese Arbeit der Spezialistinnen und Spezialisten wären viele ärztliche Behandlungserfolge überhaupt nicht denkbar“, fasst Moderator Martin von Berswordt-Wallrabe zu Beginn eines Introfilms die unverzichtbare Arbeit der Therapieberufe zusammen. Voraussetzungen für eine qualitative Versorgung der Patientinnen und Patienten sind dabei gute Rahmenbedingungen für die Berufsangehörigen wie zum Beispiel eine höhere Vergütung. Denn: auch mit der aktuellen Vergütung ist eine wirtschaftliche Praxisführung noch nicht möglich, und damit können auch keine angemessenen Gehälter in den Praxen bezahlt werden. Die Heilmittelberufe müssen attraktiver werden – für die Berufsangehörigen, aber auch für junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen. Voraussetzung dafür ist eine zeitgemäße Ausbildung, Karrieremöglichkeiten und die angemessene Entlohnung. Aber auch der Zugang zu therapierelevanten Informationen, eine interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe sowie der Direktzugang für Patientinnen und Patienten mit klarem Befundbild sind leider noch nicht in der Versorgung angekommen. Das muss sich ändern!

Podiumsdiskussion mit konkreten Forderungen an die Politik

Der Film über den Stellenwert der Therapie und die konkreten Fragen der Berufsangehörigen zu den Themen interprofessionelle Zusammenarbeit, wirtschaftliche Praxisführung, die Anbindung an die Telematikinfrastruktur und die Anhebung der Ausbildung auf Hochschulniveau lieferte zahlreiche Steilvorlagen für die Diskussion der Podiumsgäste des TherapieGipfels. Oberstes Ziel müsse es sein, die Attraktivität der Therapieberufe weiter zu steigern, erklärte Ute Repschläger, Vorsitzende vom Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) zu Beginn der Podiumsdiskussion. Die Vergütungserhöhungen von 14,09 Prozent in der Physiotherapie können dabei nur ein erster Schritt sein, um eine wirtschaftliche Praxisführung und damit auch angemessene Gehälter für die angestellten Therapeutinnen und Therapeuten möglich zu machen. Dass die vom Gesetzgeber geforderte Wirtschaftlichkeit mit den aktuellen Vergütungserhöhungen noch nicht erreicht ist, war Grund zur Klage der Physiotherapieverbände gegen Teile des Schiedsspruchs in der Physiotherapie.

Die Diskussion zeigte deutlich, dass aktuelle Probleme und Entwicklungen der Branche nicht länger kleinteilig und in Einzelmaßnahmen gedacht werden dürfen. Die Politik ist aufgefordert, mutig neue Wege zu gehen und eine Modernisierung des Gesundheitssystems voranzubringen.  

Beispielsweise könnten von einer gut organisierten interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen sowohl Patientinnen und Patienten als auch die Berufsangehörigen sehr profitieren. Allerdings ist damit zeitlicher Aufwand verbunden, für den die aktuellen Rahmenbedingungen keine Zeitfenster und damit auch keine Vergütung vorsehen. Ziel müsse es sein, knappe Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen, betonte Andreas Pfeiffer, Vorsitzender des SHV und des Deutschen Verbandes für Ergotherapie. Er ist sicher, dass schon aufgrund des massiven Fachkräftemangels eine verstärkte interprofessionelle Zusammenarbeit erforderlich ist. Bei neuen Versorgungsansätzen sollten stets alle am Versorgungsprozess beteiligten Berufsgruppen einbezogen werden, fordert der Vorsitzende des SHV.

"Warum tun wir uns so schwer mit der Modernisierung der Ausbildungen?“, fragte Andrea Rädlein, Vorsitzende des Deutschen Verbands für Physiotherapie. Sie betonte: „Die Akademisierung funktioniert, das zeigen die Modellstudiengängen seit Jahren“. Volle Unterstützung dafür erhielt die stellvertretende SHV-Vorsitzende dabei von Prof. Dr. Annette Irene Probst, Sprecherin des Fachbereichstags Therapiewissenschaften: „Wir haben lange genug diskutiert. Der Ball liegt im Feld der Politik“. Die neue Bundesregierung müsse hier ein Zeichen setzen und die Machtspiele zwischen den Bundesländern und dem Bund im Hinblick auf die Finanzierung einer modernen und zukunftsweisenden Ausbildung in den Therapieberufen beenden.

Dem stimmte Franz Knieps mit Nachdruck zu. Die Bundesländer müssen ihrer Verantwortung und ihren Aufgaben endlich nachkommen, forderte der Vorstand des BKK Dachverbandes. Er selbst sei ein großer Verfechter einer integrierten Versorgung und einer verstärkten Netzwerkbildung im Gesundheitssystem. Mögliche Modernisierungsschritte müssten aber schnell erfolgen, da die Krankenkassen voraussichtlich ab 2023 defizitär seien.

Fazit der Diskussionsrunde: Es braucht Mut zu Veränderung. Die Therapeutinnen und Therapeuten sind dazu bereit, neue Wege zu gehen. Das haben die vielen Statements und Fragen im Chat gezeigt. So zum Beispiel auch bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur. Hans Ortmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Physikalische Therapie (VPT), betonte, dass die Praxen bereit seien und auf einen verbindlichen Zeitplan für die Umsetzung warteten.

Der 3. TherapieGipfel des SHV hat Bilanz gezogen und aufgezeigt, welche weiteren berufspolitischen Schritte umgehend erforderlich sind, damit die Therapieberufe attraktiver werden, sich mehr junge Menschen für einen Therapieberuf entscheiden und damit die Versorgung der Patientinnen und Patienten nachhaltig gesichert wird. Der SHV wird die Gespräche mit der Politik und den Entscheidungsträgern intensiv fortsetzen und damit die Forderungen der Therapeutinnen und Therapeuten in die Politik tragen. Selbstverständlich geht auch der Dialog mit den Berufsangehörigen weiter.